Aktionsform
Teilnehmergeschichte
TN erzählen zu einem Thema eine Geschichte. Sie stellen einzelne, reale oder fiktive Handlungen in einen zeitlichen, sinnvollen Zusammenhang und verleihen ihnen dadurch eine Bedeutung (s. Erzählen).
1. Einsatzmöglichkeiten
- um Zusammenhänge zu entdecken
- um Vorerfahrungen und Vorwissen zu artikulieren
- zur Verknüpfung allgemeiner Wissenselemente mit konkreten Handlungssituationen
- zur Festigung von Wissensbeständen
- zum Aktivieren von Stellungnahmen und Wertungen
- um die Vorstellungskraft zu schulen
2. So wird’s gemacht:
Geschichten erzählen
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Sie bitten die TN, Geschichten zu erzählen, die sie gehört oder selbst erlebt haben. Lassen Sie ihnen vorher einen Moment der Besinnung und kündigen Sie diesen auch an. Die Geschichten haben die Funktion, die bestehenden Wissens- und Deutungsvorräte zu einem anstehenden Thema zu veröffentlichen.
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Sie können einen „Erzählstab“ oder o.Ä. (Symbolisieren) kreisen lassen. Wer den Stab ergreift, darf seine Geschichte erzählen.
Geschichten konstruieren
- Sie haben durch einen Vortrag o.Ä neues Wissen vermittelt.
- Fordern Sie die TN auf, sich in Einzelarbeit, Partnerarbeit oder Gruppenarbeit eine Geschichte auszudenken oder eine gehörte Geschichte zu verändern (eine alte Geschichte modernisieren, eine neue „auf alt trimmen“, in einem anderen Land spielen lassen usw.). Das bisher Gelernte soll in die Story einfließen. Ein Tipp, um das Fabulieren aller zum Laufen zu bringen: Jeder TN „spinnt“ einen Satz. Die TN werden die (re-)konstruierte Geschichte später im Plenum durch einen Sprecher vortragen lassen oder gemeinsam im Wechsel erzählen. Es steht im Ermessen der Personen oder Gruppen, die Erzählung zu einem darstellenden Spiel zu machen, aus Prosa ein Drama (Theaterspiel).
- Geben Sie den TN den Tipp: „Dramatisieren, personifizieren, lokalisieren, motivieren, dynamisieren und detaillieren Sie! Fangen Sie möglichst früh an, direkt zu erzählen und sich den Ball zuzuspielen. Geschichten entstehen im Erzählen, nicht vor dem Erzählen.“
- Sie können eine oder mehrere Vorgaben machen: einen Titel (z.B. „Vergessen Sie Beethoven!“), ein Thema (z.B. untilgbare Schuld), einen Ort (z.B. ein Dorf hoch oben in den Alpen), eine Zeit (z.B. das 13. Jahrhundert), eine Tätigkeit (z.B. über eine Bahnschranke wachen), eine Person (z.B. ein Clown, der die Zuschauer nicht mehr zum Lachen bringen kann), mehrere Reizwörter (z.B. Flugzeug/Magenverstimmung/Kind/Schlange).
- Fortsetzungsgeschichten im Plenum sind eine andere Möglichkeit. Geben Sie einen mehr oder minder umfangreichen Teil einer Geschichte vor und lassen Sie sie von den TN reihum oder durcheinander „weiterspinnen“. Sie sollten Gedanken aus dem Kurs in Ihren Anfang einbauen und solche in den Fortsetzungen einfordern (z.B. Geschichten über den bisherigen Lern- und Gruppenprozess).
3. Didaktisch-methodische Hinweise
Die Teilnehmergeschichte ist neben dem
Teilnehmerreferat die zweite Möglichkeit einer mündlichen Darbietung durch TN. Die Erzählung führt das Teilnehmerreferat weiter fort: Sie schafft Zusammenhang und dadurch Bedeutung, sie ist zeitlich organisiert, und sie gibt Ereignisse als Handlungen wieder. Im Erzählen entsteht also ein zeitlich geordneter Handlungszusammenhang. Dieser unterliegt einem „Gestaltschließungszwang“ (= zu Ende führen müssen), einem „Detaillierungszwang“ (= konkret werden müssen) und einem „Kondensierungszwang“ (= gewichten müssen) (Kallmeyer/Schütze 1977).
4. Vorteile/Chancen – Nachteile/Probleme
Vorteile/Chancen:
- Zwang, konkret, zusammenhängend und gewichtend darzustellen
Nachteile/Probleme:
- wenig kritische Distanz möglich
- kein vorhergehender Wissenserwerb
Literaturhinweise: Aebli 2006; Gálvez 2009; Hof 1991; Kallmeyer/Schütze 1977; Masemann/Messer 2009; Meyer 2007; Siebert 2006
Dr. Balkes rät: „Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. Es braucht nicht eben ein scharf denkender Kopf zu sein, auch meine ich es nicht so, als ob du ihm darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm allererst erzählen“ (Heinrich von Kleist).
Autor: Ulrich Papenkort