Aktionsform
Erkundung
Die TN verlassen das Seminar und wenden sich dem Lerngegenstand unmittelbar in seiner natürlichen Umgebung zu. Im Unterschied zur Exkursion sind die TN dabei aktiv.
1. Einsatzmöglichkeiten
- zum Einstieg in einen Lernprozess: Motivation, Anregung, erste Begegnung mit dem neuen Lerngegenstand, erste Formulierung der Problemstellung
- zur methodischen Abwechslung in längerfristig angelegten Veranstaltungen (mit begrenzter Fragestellung, zur Ergänzung von Vorträgen, Gruppenarbeiten usw.)
- als zentraler Bestandteil einer ganzen Veranstaltung (mit intensiver Vor- und Nachbereitung, Dokumentation der Ergebnisse)
- als eigenständige Veranstaltungsform (z.B. Betriebserkundung)
- um einen unmittelbaren, authentischen Eindruck von einer Sache zu bekommen und um eine Erfahrungsbasis für die weiterführende Arbeit zu gewinnen
2. So wird’s gemacht:
Vorbereitung
- Informieren Sie sich selbst z.B. über den zu erkundenden Betrieb.
- Nehmen Sie Kontakt auf zu den externen Kooperationspartnern und vereinbaren Sie den Ablauf.
- Erarbeiten Sie vorab mit den TN die nötigen Informationen, damit sie einen Überblick gewinnen.
- Entwickeln Sie gemeinsam mit den TN die zentralen Fragestellungen für die Erkundung.
- Bilden Sie evtl. Arbeitsgruppen, die spezielle Aufgaben übernehmen und sich gezielt auf ausgewählte Aspekte vorbereiten und konzentrieren (z.B. Fragen, Gesichtspunkte für die Beobachtung sammeln).
- Klären Sie alle organisatorischen Fragen (Treffpunkt, Zeiten, Anreise, Kosten, Versicherung usw.) (Kap. 7, Organisation).
Durchführung
- Achten Sie besonders darauf, dass sich die (aktive) Erkundung nicht unter der Hand in eine (passive) Betriebsbesichtigung verwandelt. Eventuell müssen Sie Ihre Kooperationspartner bremsen, damit die TN wirklich aktiv werden können.
Nachbereitung
- Lassen Sie Eindrücke zusammenfassen, strukturieren, analysieren und bewerten; offene Fragen werden notiert.
- Die TN vertiefen, ergänzen die neuen Informationen durch Texte lesen, Expertenbefragung usw.
- Evtl. erstellt die Gruppe eine Dokumentation (Wandzeitung).
3. Didaktisch-methodische Hinweise
Die Erkundung bietet den TN die Möglichkeit, eine Fragestellung
unmittelbar an der Wirklichkeit zu bearbeiten. Das Lernen wird aus dem Kursraum in einen Raum verlagert, der unmittelbar mit dem Thema zusammenhängt oder das Thema selbst ist. Lernort und Lerngegenstand fallen zusammen. Durch das Hinausgehen in den zu untersuchenden Raum können sinnliche Wahrnehmungen in den Lernprozess mit einbezogen werden. Sehen wird ergänzt durch Riechen, Hören, Ertasten. Ein ganzheitlicher Eindruck entsteht. Im Unterschied zur
Exkursion bleiben die TN jedoch nicht passiv. Sie bekommen nichts gezeigt, sondern suchen, fragen, forschen, diskutieren, sammeln Informationen usw. Sinnliche Wahrnehmung allein genügt nicht. Erkunden benötigt Erkundigen. Deswegen sollten Erkundungen in Vor- und Nachbereitungen eingebettet sein. Allerdings: Das Unvorhersehbare macht den Reiz der Erkundung aus.
4. Vorteile/Chancen – Nachteile/Probleme
Vorteile/Chancen:
- lebendig, anregend, motivierend
- Bezug zur Realität/Praxis
Nachteile/Probleme:
- hoher Aufwand, muss immer neu vorbereitet werden (z.B. Absprachen)
Literaturhinweise: Bönsch 2008; Michelsen/Siebert 1985; Müller 1987, 1989, 2001
Dr. Balkes rät: „Es gibt zwei Möglichkeiten, um mit Erkundungen sicher baden zu gehen: (1) sie als eine Form didaktisch verbrämter Freizeitgestaltung misszuverstehen oder (2) sie mit zu vielen Aufträgen/Erwartungen zu überladen, sodass schließlich kein Freiraum mehr für spontanes Erkunden bleibt. Üben Sie den Einstieg in Erkundungsmethoden mit kleinen Gängen zu ausgewählten Fragen in die nähere Umgebung.“
Autor: Ulrich Müller